von Udo Schmidt-Arndt, März 2013
Diesen Bericht schreibe ich aus Dankbarkeit gegenüber dem DHH und einem KFK mit Namen KORMORAN, der mir und vielen anderen Segelfreunden unzählige und unvergessene schöne Stunden auf See geschenkt hat. Die Ereignisse liegen nun schon fast 45 Jahre zurück, sind aber so frisch im Gedächtnis wie einst. Der Bericht beschreibt das Werden und Sterben eines Schiffes, eingerahmt von den Erlebnissen während des 1. Wintertörns der HYS nach Oslo 1968 und den verschiedensten Aufgaben, für die es eingesetzt wurde.
Der DHH hatte immer schon ganz besondere Yachten. Zum Beispiel die HAMBURG, die schon die Welt umsegelt hatte, bevor sie 1931 zur Hanseatischen Yachtschule kam. Oder die 1901 als Lotsenschoner gebaute ATLANTA. Ein ganz besonderes Schiff war auch ein ehemaliger Kriegsfischkutter, der von 1954 bis 1983 als KORMORAN für die HYS fuhr, unter anderem als Begleitschiff während der Kieler Woche. Als Gast an Bord war auch Eberhard Wienholt. Dies führte dazu, dass sich der Hamburger Kaufmann in verantwortlichen Funktionen für den DHH engagierte und dessen größter Förderer wurde.
Besonderer Dank gilt auch Atze Lehmann für seine fachliche Beratung. Ohne seine Unterstützung und sein Wissen wäre der Bericht in der vorliegenden Form nicht zustande gekommen. Weiterer Dank gilt folgenden Personen und Organisationen, die mich bei der Zusammenstellung der Fakten unterstützt haben:
dem Deutschen Hochseesportverband Hansa e.V. ,
der Crew des 1.Wintertörns der HYS Glücksburg 1968,
der Hanseatischen Yachtschule Glücksburg,
den Amtsgerichten Bremerhaven, Bremen, Kiel, Wischhafen und Stade,
diversen Eignern des KORMORAN,
der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern, Sammlungen und Hofbibliothek,
dem Blauen Peter,
sowie den Herren Horst von Dawans, Norbert Suxdorf, Egon Meyer, Klaus Auf dem Garten, Peter Schink und Friedhelm Meyer zur Heyde,
dem Spiegel, Hamburger Abendblatt, Hempel Yachtfarben, Bremisches Jahrbuch, Yacht- und Bootswerft Burmester Bremen –Burg, Friedrich Lürssen Werft GmbH Bremen, Dr. Herwig Danner Hamburg.
Die Geschichte beginnt auf der Yacht- und Bootswerft von Ernst Albert Burmester in Bremen- Burg. Im September 1945 läuft hier das erste Schiff der Nachkriegs- KFK-10er-Serie NORD mit dem Werftnamen NORDLICHT vom Stapel. Burmesters Konstrukteur Dipl. Ingenieur Henry Gruber nimmt die Aufgaben für diese Serie wahr. Der Entwurf des ehemaligen KFK stammt von der Bremer Konstruktions-Gesellschaft Maierform GmbH. Die Namen dieser Kutter beginnen alle mit der Bezeichnung NORD, so wie NORDWIND, NORDPOL, NORDSTRAND u.s.w. und gehören konstruktions- und baumäßig zu den Kriegsfischkuttern, kurz KFK genannt, von denen im damaligen Swinemünde, heute Swinoujscie, und in verschiedenen anderen Ländern während des zweiten Weltkrieges etwa 612 Schiffe baumäßig fertig wurden.
Der KORMORAN I , Ex NORDLICHT , Ex MARGARETHE , Ex FLAMINGO V , Ex KORMORAN
Foto DHH
Im Volksmund sind sie auch kurz als „Stalin- Kreuzer“ bekannt. Es sind alles 60/40 Motorsegler, wenn möglich mit MODAG- DEMAG Motoren als 2-Takt Diesel mit 5 Zylindern und ca. 135 PS rechtsdrehend ausgestattet. Bei 500 U/min verleiht er den Schiffen eine Geschwindigkeit von ca. 9 kn. Der Verbrauch liegt bei 15 bis 18 Liter Diesel pro Stunde. Vor uns haben wir einen Motor vom Typ SRB 45. Eingebaut ist ein Eugen Reintjes Wendegetriebe, mittels Öldruck gesteuert, mit der Untersetzung 1 : 1,5. Das Schiff ist hoch- und ketschgetakelt mit 180 m² Segelfläche, Großsegel, Besansegel, Fock, Genua und Klüver, zwei Masten mit Großbaum und Besanbaum, der Rumpf ist gebaut in Karveel- und Komposit- Bauweise mit Stahlspanten. Alle Schiffe dieser Serie sind mit Eichenholz beplankt, das zum Teil bis Kriegsende aus Swinemünde herbeigeschafft wurde. Wenn man bedenkt, dass beim Bootsbau ca. 70 % des angelieferten Holzes als Verschnitt verloren gehen, so ist die benötigte Menge Holz allein für ein Boot schon ganz beachtlich. Um das Fouling zu verhindern, ist der Rumpf mit Kupferplatten verkleidet, die meistens bis 40 cm über die Wasserlinie und bis 60 cm unter die Wasserlinie reichen.
Lizenzabdruck AG Stade 2012
Als die NORDLICHT mit der Baunummer 2891 zu Wasser gelassen wird, setzt man sie wie fast alle Kutter dieser Serie zum Fischfang ein. Am 17. Oktober 1945 stellt das damals noch Reichsschiffsvermessungsamt Hamburg den entsprechenden Schiffsmessbrief aus, und die NORDLICHT erhält das Fischerei-Kennzeichen BX 354 (für Bremerhaven Hochseefischerei) und die Nummer 282 im SSR, als Heimathafen ist Wesermünde eingetragen, das heutige Bremerhaven. Das Unterscheidungssignal ist DFFL. Nach der Übereignung des Schiffes außerhalb der deutschen Gewässer an die Fisch- Companie Nord am 20.10.1945 und einer abschließenden Testfahrt ist damit die NORDLICHT im Leben angekommen.
Der KORMORAN an der zugefrorenen Pier in Glücksburg Winter 1963/64
Foto Atze Lehmann
Als Identitätsmaße sind hier einfach die wichtigsten Schiffsmaße angegeben mit der Länge 21,38 m plus 4 m Klüverbaum, der Breite mit 6,39 m und des Tiefgangs mit 2,47m. Sie hat 66,02 BRT und entsprechend einen Brutto- Raumgehalt von 187 cbm. Die NORDLICHT besitzt ein Plattgatt – Spiegelheck, kann ca. 20 Tonnen Ballast aufnehmen und hat ein Eigengewicht von 76,43 Tonnen.
Da Burmester die NORDLICHT und entsprechend die anderen Schiffe der Serie NORD auf eigene Rechnung gebaut hat, ist er auch der erste Eigentümer der NORDLICHT. Parallel zum Bau der Serie NORD wird von den Schwiegersöhnen Burmesters die Fisch- Companie Nord in Wesermünde am 1.6.1945 aufgerichtet. Die Gesellschaft, die am 27.2.1948 in das Handelsregister eingetragen wird, bekommt alle Kutter, so wie sie fertig werden, von Burmester zum Fischfang übereignet. Vielfach laufen sie aber wegen der schwierigen Ernährungslage auch als Butter-Kutter. Die Gesellschaft von den Herren Magnus Müller, Heinz Müller und Heinz Glahr geleitet, besteht bis zum 21.12.1953. Im April des gleichen Jahres war Magnus Müller tödlich verunglückt. Die Fisch-Companie ist der zweite Eigentümer der NORDLICHT.
Kurz vor der Währungsreform am 20.6.1948 kauft Burmester für 100.000 Reichsmark die NORDLICHT von der Fisch-Companie zurück, wird jetzt als dritter eingetragener Eigentümer geführt. Nach der Währungsreform ist der Wert mit 35000.- DM angegeben. Innerhalb von zwei Jahren fängt Burmester an die NORDLICHT, und nach und nach auch andere Kutter der 10er-Serie wieder zurück zu nehmen und auch zurück zu bauen, um neue Verwendungsmöglichkeiten anbieten zu können. Er denkt an Reise-, Luxus- und Ausflugsyachten sowie Bereisungsschiffe. Die NORDLICHT scheidet aus der Fischfangflotte aus und bekommt 1950 das Rufsignal DEQH. Als einziges Schiff dieser Serie wird die NORDWIND von Ernst Burmester 1951 an den Seegrenzschutz verkauft, sie geht 1956 als W43 bzw. Y834 an die Marine.
Als die Korea-Krise droht, der Krieg dauert von 1950 bis 1953, wird Burmester von dem Schiffmakler J. A. Reinecke in Hamburg angesprochen, ob er einen KFK so umbauen könne, dass er sogar fürstlichen Ansprüchen genügen würde. Für den Fall, dass die Russen bis zur Elbe und bis zum Rhein vorrücken würden, müsste auch die Möglichkeit bestehen, den Kutter als Entsatzboot in Richtung Westen benutzen zu können. So kommt es zum Auftrag an die Burmester- Werft, die NORDLICHT nach den Angaben des Fürstenhauses Hohenzollern in Sigmaringen umzubauen und den technischen Erfordernissen einer Atlantik- Überquerung anzupassen.
Die MARGARETHE auf der Überfahrt nach Southampton Foto Fürstliche Hohenzollernsche Sammlungen
Der Kormoran auf der Flensburger Förde 1976 Foto DHH
Da die Umbaukosten für die NORDLICHT nicht im Vordergrund stehen, zaubert Burmester in kürzester Zeit einen fürstlichen KFK. Diese Bezeichnung wird der Kutter nun nie mehr los.
Die Ausstattung des Schiffes ist recht luxuriös, erst recht für die Zeit kurz nach dem zweiten Weltkrieg, aber für ein Fürstenhaus durchaus angepasst. Das Schiff jedoch als „Lustboot“ zu bezeichnen ist vollkommen fehl am Platze. Nie haben hier ausschweifende Feste stattgefunden.
Die Innenausstattung ist sehr gut durchdacht. Das Schiff hat ein großes Deckshaus mit drei Ein- bzw. Ausgängen. Einer führt jeweils nach Steuerbord und Backbord und einer zur Brücke. Es ist ein großer Esstisch vorhanden, an dem gut acht Personen Platz finden und ein Kartentisch für die Navigation. Drei vorhandene Sessel können bei schwerem Wetter mit Ketten im Boden verankert werden. Außerdem ist die Möglichkeit gegeben, die großen Deckshausfenster bei schwerer See mit Schlagblenden zu sichern.
Die nautische Ausrüstung besteht aus einem großen Grenzwellensender mit Allwellen-Empfänger von Hagenuk und einem Echolot von Atlas, das üblicherweise zu dieser Zeit nur in großen Schiffen Verwendung findet, mit einer Anzeige bis 200 m. Nicht zu vergessen ein Schlepplog von Walker nach dem Propellerprinzip und ein Kugel-Kompass. Für damalige Verhältnisse ist dies eine gute Ausstattung. Alle anderen Geräte werden erst in den 70er und 80er Jahren von der HYS eingebaut. darunter ein UKW DEBEG 7606, ein DEBEG EB 7281 sowie ein DECCA-Radar 090. Wenn man über eine Treppe unter Deck geht kommt man in einen Gang. Nach achtern führt er in eine Vier-Mann-Kammer und von dort in die große Segellast. Direkt am Ende des Niederganges vom Deckshaus liegt der Maschinenraum, gesichert mit einem wasserdichten Stahlschott und schweren Vorreibern. Wie schon vorher beschrieben ist ein ca. 135 PS starker 2-Takt MODAG-DEMAG-Motor mit 5 Zylindern und maximal 500 Umdrehungen eingebaut, der somit zu den Langsamläufern gehört. Er hat eine normale Wellenanlage und ein freistehendes Eugen Reintjes Wendegetriebe. Man kann sich ruhig unter Deck eines Schiffes aufhalten und erkennt trotzdem ein anderes Schiff mit MODAG- Motor an dessen Klang. Mit einem ziemlich lauten Hilfsaggregat der Motorenfabrik Hatz kann man vier Batterien von je 180 Ah und 24 Volt laden. Im Maschinenraum befinden sich zwei Tanks für insgesamt 3 Tonnen Diesel und mehrere Tanks für 4 Tonnen Frischwasser. Zum Starten des Motors stehen zwei große Pressluftflaschen zur Verfügung, die einmal drei und einmal 2 Startversuche zulassen. Läuft der Motor immer noch nicht, steht ein Handkompressor zur Verfügung. Es ist aber ein Pumpen von ca 2 ½ Stunden notwendig, um einen weiteren Startversuch durchzuführen zu können. Diese Situation kann eine Horrorvorstellung auslösen.
Wenn man dem Gang weiter nach vorn folgt, kommt als erstes BB die Toilette für die Mannschaft gefolgt von der Maschinistenkammer. Hier an der rechten Seite steht der Koksofen für die Zentralheizung. Eine Regulierung ist nicht so recht möglich, es ist entweder zu kalt oder zu heiß, eine Erfahrung aus der Vergangenheit.
Der Kormoran vor dem Rathaus in Oslo Foto Jürgen Jacobsen
Der KORMORAN in Tunesien Foto Peter Schink
Der KORMORAN auf der Flensburger Förde 1976 Foto DHH
Vom Durchgang kommt man in die sehr geräumige Messe. Diese ist mit einem großen Messetisch ausgestattet und einem U- förmigen Sofa, an dem gut 10 Personen Platz haben. Genau wie im Deckshaus sind die vorhandenen Sessel bei Seegang mit einem Sicherungssystem und Ketten gesichert. Mit Spannschrauben werden die Ketten auf die gewünschte Länge eingestellt. An BB befindet sich ein großer Barschrank mit indirekter Beleuchtung und vielen Spiegelfliesen, die eine angenehme Atmosphäre schaffen. Ein hochmoderner Plattenspieler sorgt für Musik. In den vorhandenen Unterschränken sind Porzellan und Bestecke für die Gäste verstaut. Das Geschirr für die Crew ist dagegen in der Kombüse untergebracht.
Auch das Kammersystem auf der späteren MARGARETHE ist gut durchdacht. Insgesamt sind für Eigner, Gäste und Crew acht Kammern vorhanden. Davon liegen zwei Kammern auf der STB- Seite in der Messe auf gleicher Höhe mit der dezenten Aufschrift Prinzessinnen-Kammer. Hier sind die einzelnen Kojen mit Gardinen versehen. Alle Kammern tragen Namensschilder.
Geht man weiter nach vorne, kommt ein kleiner kurzer Gang, wo der Großmast durch das Deck kommt. Zur STB- Seite geht es dann zur Fürstenkammer, die übrigens wie alle Kammern mit Mahagoniholz ausgeschlagen ist. Alle Gästekammern haben ein festes Waschbecken mit Ausnahme mancher Crew-Kammern.
Für die Fürstenkammer ist dies nicht nötig, da für den Fürsten gegenüber eine separate Kammer mit großem Waschbecken, Spiegel, Pump-WC und Badewanne zur Verfügung steht. Ebenso ist fließend heißes und kaltes Wasser vorhanden. Das heiße Wasser wird aus dem Motorkreislauf gewonnen und kann in unbegrenzter Menge mit etwa 30°C entnommen werden. Nach der Ära der Hohenzollern füllt man die Badewanne mit Stangen-Eis, um kalte Getränke für Gäste und Crew zu haben. Der Kapitän hat als einziger eine Einzelkammer auf dem Achterdeck. Sie enthält einen Unterschrank, einen Minischreibtisch und einen kleinen Kleiderschrank. Hygiene zelebriert man notgedrungen mit einer Waschschüssel auf der Kokslast, die sich direkt hinter der Kapitänskammer auf dem Achterdeck befindet. Als einzige der Crew haben die Maschinisten, Koch / Stuart ein Waschbecken. Dagegen befinden sich in den Vier-Mann-Gästekammern zwei Waschbecken.
Weiter in Richtung Bug geht es in die Kombüse, die komplett eingerichtet ist. Hier stehen ein Kohleofen, ein Vier-Flammen-Gasherd, ein Kühlschrank, Spülbecken, Anrichte und Stauschränke. Es gibt zwei Türen, die an der STB-Seite führt in die Kammer von Koch und Stuart, die so eng ist, dass sich immer nur einer dort umziehen kann. Die zweite Tür führt in das Vorschiff. Hier wohnen Bootsmann und der Schiffsjunge. Neben ihren Kojen ist eine kleine Back mit Sitzen eingebaut wo auch die Crew essen kann, und eine Schranktoilette. Hier ist auch der zweite Niedergang, so dass die Crew nicht durch das Deckshaus gehen muss.
Sämtliche Kammern verfügen über große Skylights. Somit ist es überall unter Deck relativ hell. Alle Räume und Messen besitzen eine Notbeleuchtung mit Kerzenhaltern, die eine geschliffene Glaskugel haben und voll kardanisch aufgehängt sind.
Die MARGARETHE an der Pier in Glücksburg Nov. 1957 bis Jan. 1958, noch schwarz mit weißer Scheuerleiste und Beiboot an Davits. Foto Atze Lehmann
An Deck gibt es ein großes Beiboot, das sich aber wegen des großen Gewichtes und einem über Kopf liegenden zusätzlichen Dinghi nur über Davits aussetzen lässt.
Auf dem Vorschiff befinden sich 2 Stockanker und in der Klüse ein Patentanker mit 100 m Kette entsprechender Stärke. Um einen Meter Kette zu hieven sind mit dem Ankerspill 2o Umdrehungen zu machen. Bei dieser Untersetzung ist das Ankerlichten selbst für zwei kräftige Crew-Mitglieder eine äußerst schweißtreibende Sache.
Wird die Kraft der Segel, auch wenn sie nicht immer gesetzt sind, und die zur Verfügung stehende Motorkraft zusammengerechnet, so ist das Erreichen der Ostküste Amerikas absolut im Bereich des Möglichen.
Berücksichtigt man die materiellen und technischen Möglichkeiten um 1950 und bedenkt, für wen das Schiff umgebaut wurde, so kann man nur die Leistungen von Ernst Burmester und Henry Gruber bewundern.
So ausgestattet geht die NORDLICHT am 4. Juni 1951 in das Eigentum des Fürstlichen Hauses Hohenzollern von Sigmaringen über.
Die Übergabeprotokolle unterzeichnet Friedrich Wilhelm Erbprinz von Hohenzollern. Als Sohn von Friedrich Viktor Fürst von Hohenzollern hatte er von seinem Vater eine entsprechende Generalvollmacht erhalten. Da das Fürstenhaus Hohenzollern natürlich nicht viel mit dem Namen NORDLICHT anfangen kann, beantragt man gleichzeitig die Umbenennung in den Namen MARGARETHE. Dies ist der Name der Fürstin Margarete von Sachsen, der Ehefrau von Fürst Friedrich Viktor von Hohenzollern und Tochter des Königs Friedrich August III. von Sachsen. Bei dem Antrag auf Namensänderung ist dem Notariat ein kleiner Fehler unterlaufen, indem es bei dem entsprechenden Antrag „Margarethe“ geschrieben hat und nicht „Margarete“. In allen Unterlagen des Fürstlichen Hauses Hohenzollern in Sigmaringen schreibt sich der Name aber immer ohne „h“. Der Fehler ist bei der ersten Ausstellung des Schiffsmessbriefes übernommen worden und es blieb dann bei MARGARETHE. Das Schiff hat nun den vierten eingetragenen Eigner, und der Heimathafen ist weiterhin Bremerhaven. Das SSR gibt hier das Haus Hohenzollern aber als dritten Eigentümer an da der Wechsel der Eigentumsverhältnisse zwischen Burmester und der Fisch- Companie nicht berücksichtigt ist.
Die MARGARETHE auf der Fahrt nach Southampton 1953.
Foto Fürstlich Hohenzollernsche Sammlungen
Noch bevor der Korea- Krieg am 27. Juli 1953 endet, fährt Friedrich Wilhelm Erbprinz von Hohenzollern mit seiner Ehefrau Margarita Prinzessin zu Leiningen, die Februar 1951 heirateten, mit dem Schiff MARGARETHE nach Southampton zur Coronation von Königin Elisabeth II. von England in London am 2. Juni 1953. Sie bleiben dort vom 20. Mai bis 8. Juni 1953. An den Masten wehen die deutsche Nationalflagge und die des Fürstenhauses Hohenzollern, eine stolze Fahrt und ein bedeutender Aufenthalt in London.
Fürst Friedrich Wilhelm und seine Gemahlin Margarita
Kapitän W. v. Hein Steuermann Maschinist Judeith
Fotos: Fürstlich Hohenzollernsche Sammlungen
Nach Ende des Korea- Krieges hat das Fürstenhaus Hohenzollern keine Verwendung
mehr für die MARGARETHE. Obwohl Friedrich Fürst von Hohenzollern- Sigmaringen in den 1930er Jahren ein Segelboot besitzt und auch selbst gesegelt ist, entschließt man sich jetzt die MARGARETHE abzugeben.
1954 bekommt die MARGARETHE noch einen neuen Motor, dessen Testlauf auf dem Gelände des Herstellers am 12. 10. 1954 durchgeführt wird. Es ist ein SRB 55 mit Motornummer 14311 und 150 PS. Nur zwei Jahre nach dem Korea-Krieg 1955 wird das Schiff innerhalb der DHH der Hanseatischen Yachtschule Glücksburg zur Nutzung überlassen. Im Jahr 1956 ergeht eine Schenkung an die Stadt Hamburg, von ihr geht die Schenkung über an die Gesellschaft zur Förderung des Hochseesegelns e.V., die wiederum die Schenkung weitergibt an den DHH. Am 3. August 1956 wird der DHH auf eigenen Antrag als neuer Eigentümer eingetragen mit der bisherigen SSR-Nummer 282 und als Heimathafen wiederum Bremerhaven. Die MARGARETHE hat nun mit dem DHH den fünften Eigentümer.
Damit ein Teil der laufenden Unterhaltungskosten dem DHH wieder zufließt, wird die MARGARETHE während der Wintermonate an die staatliche Schiffsjungenschule des Landes Schleswig-Holstein verchartert und auch entsprechend als Wohn- und Ausbildungs-Schiff eingerichtet und benutzt. Da das Land Schleswig-Holstein die Schule betreibt, hat die HYS zu dieser Zeit einen vom Kultusministerium eingesetzten Schulleiter. Auf der Flensburger Förde werden unzählige kleine Törns gefahren, um den Schiffsjungen die nötige Praxis in der Seemannschaft zu vermitteln. Einer dieser Schiffsjungen ist Atze Lehmann, der jedem, der mit Ostseewasser in Berührung gekommen ist, bekannt sein dürfte. Darauf angesprochen sprudelt es aus ihm heraus:
Er ist Schiffsjunge vom 1.11.1956 bis 31.1.1957 im mittleren der Drei-Monats- Lehrgänge in einer Gruppe von 30 Jungen, die in der HYS und zum Teil auch auf der MARGARETHE wohnen. Alle Jungen die Handelsschiff-Offizier werden wollen, müssen durch diese Ausbildung. Für diese Jungen ist die Ausbildung ziemlich hart, und sie verlangt von ihnen schon eisernen Willen. Montag bis Samstag ist Schule von 7 bis 17 Uhr 30, ab dann Schularbeiten und Zeugdienst. Der Sonntag ist frei außer Backschaft und Kirchgang. Landgang gibt es im ersten Monat keinen, dann im zweiten und dritten Monat sonntags bis 21 Uhr 30. Je nach dem wie das Abschluss-Zeugnis ausfällt, können die Schüler auf einem Kadettenschiff oder bei der Handelsmarine anheuern. Das Zeugnis von Atze Lehmann ist wohl recht gut ausgefallen, denn er kann zwischen der Pamir und dem Hapag-Kadettenschiff HEIDELBERG II wählen. Die HEIDELBERG II durch die Deutsche Werft Hamburg mit 9184 BRT gebaut, läuft am 19. November 1942 in Hamburg vom Stapel, wird 1953 zum Kadetten- Schiff umgebaut und 1966 nach Panama verkauft. Unter dem Namen COMPANION ist sie 1973 in Kaohsiung (Taiwan) abgewrackt worden.
Atze Lehmann entscheidet sich für die dritte Möglichkeit und bleibt in der Heimat. Wie wir alle wissen, ist die Pamir im gleichen Jahr 1957 auf der Rückreise von Südamerika gesunken. Wie das Schicksal so spielt.
Ende 1957 wird das Programm der Schiffsjungenförderung über das Land Schleswig-Holstein aufgegeben und nun steht die MARGARETHE wieder voll der HYS zur Verfügung. Man führt jetzt selbst die Lehrgänge und Belehrungsfahrten zur Erlangung von Führerscheinen aller Klassen durch, sowie für alle Funkzeugnisse und auch Radar-Belehrungen. Mit Gästen veranstaltet man viele Ein- oder Zweitage-Törns durch die nahegelegenen dänischen und schwedischen Gewässer sowie rund um Fünen und Seeland. Werbefahrten zur Kieler Woche werden durchgeführt sowie viele Gruppenfahrten für Bayer- Lehrlinge. Auf einer dieser Fahrten zur Kieler Woche werden die Verbindungen zu Eberhard Wienholt geknüpft, der ein begeisterter Segler ist. Während der Zugehörigkeit zur HYS wartet man die MARGARETHE auf der Werft Alfred Eberhardt in Arnis. Erst 1961 entschließt man sich beim DHH, die MARGARETHE umzutaufen. Am 14. Februar 1961 wird der neue Name „KORMORAN“ im SSR eingetragen.
Der KORMORAN ist nun schon einige Jahre für die HYS unterwegs, hat auch zwei neue Masten bekommen, die alten von 1945 waren doch etwas „ weich “ geworden. Atze Lehmann hält es auch nicht mehr. So unternimmt er bei günstigen Windverhältnissen mit dem KORMORAN einen Rekordversuch und erreicht Raumschot fahrend mit voller „Wäsche“ sagenhafte nachweisbare 12 kn über Grund.
Auch bei der HSY macht man sich Gedanken darüber, den flotten Vogel doch weiter fliegen zu lassen. Vom 30.10.1966 bis zum 13.11.1966 wird der erste 14 Tage Törn „ Rund um Bornholm “ durchgeführt. Der KORMORAN kehrt mit einer begeisterten Mannschaft zurück.
Der KORMORAN neben der CHRISTIAN RADICH in OSLO 1968
Foto Helle Christiansen
Die Crew des KORMORAN im Osloer Hafen vlnr : Helle Christiansen , Udo Schmidt-Arndt , Jutta Lund , Heinrich Dürkob , Gottfried Luchmann , Peter Küppers , Ulrich Osberghaus ,Volker Rahmig und Jürgen Jacobsen.
Foto Verdens Gang Oslo Knut Skarland
Am 30. 03. 1967 lässt der DHH eine komplette Motorüberprüfung durchführen.
Die letzten Winter sind auf der Ostsee sehr mild gewesen. So wagt man das Experiment, einen Törn mitten im Winter nach Oslo auszuschreiben und gleichzeitig zum Skifahren in die Gebiete rund um den Holmenkollen einzuladen. Eine erfahrene Bootsbesatzung wird zusammen gestellt mit Gästen, die auch schon einige Törns auf dem Buckel haben. Denn so ganz unvorbereitet will man den KORMORAN nun doch nicht ins Packeis schicken, zumal zuerst für diesen Törn das Stahlschiff „DIOTIMA“ vorgesehen war, das aber nicht rechtzeitig startklar ist. Nachdem sich genügend Teilnehmer gemeldet haben, wird alles festgezurrt und der 1.Wintertörn der HYS nach dem 2. Weltkrieg als „Nordische Kombination“ vom 23.2.1968 bis 11.3.1968 durchgezogen. Es ist der einzige Dreiwochen-Ausbildungstörn der Schule. Als der KORMORAN um 9 Uhr 20 unter Maschine ablegt, steht die ganze Schule einschließlich Schulleiter Rudolf Koppenhagen am Ostpier, und alle winken, als ob wir zum Nordpol führen. Ein wenig gerührt sind doch alle. Ein Kamerateam des NDR ist noch an Bord gekommen, das ein paar Eindrücke festhalten möchte und das in Sonderborg wieder von Bord geht.
Jetzt möchte der Autor nicht den gesamten Törn noch einmal beschreiben, der ganz ausführlich von Helle Christiansen und Ulrich Osberghaus im BLAUEN PETER Nr. 2 von 1968 nachgezeichnet wird. Aber das folgende muss noch raus:
Die Mannschaft besteht aus Kapitän Helle Christiansen, dem Leiter der Hansatischen Segelschule Steinhuder Meer SSS Gottfried Luchmann, Bootsmann Heinrich Dürkob, Schiffsjunge Jürgen Jacobsen, der auf diesem Törn zum Bootsmann befördert wird, und die Gruppe der Ahnungslosen mit Peter Küppers, Jutta Lund, Ulrich Osberghaus, Volker Rahmig und Udo Schmidt-Arndt. Die Schiffsroute führt von Glücksburg nach Sonderborg und weiter nach Middelfart und am nächsten Tag an der Insel Samsö vorbei bis auf die Höhe von Skagen, wo wir den ersten Vorgeschmack auf den Skagerak bekommen.
Der KORMORAN unter Segel und Motor Höhe Skagen Foto usa
Die Temperaturen fallen plötzlich weit unter Null, schwere See und starkes Schneegestöber umhüllen uns. Schon ein wenig aus Trotz beschließen alle, die Nacht über durchzufahren, allein um den Skagerak möglichst schnell hinter sich zu lassen.
Einfahrt in den Oslo – Fjord Foto Jacobsen
Aber die Mannschaft muss bis zum Morgengrauen kämpfen, und es ist eine Nacht, die schlagartig alle zusammenschweißt. Jeder erkennt, dass er sich unbedingt auf den anderen verlassen können muss und das dies keine leeren Worte sind. Im Morgengrauen laufen wir in den mit Schnee überzogenen Oslofjord ein, ein Winterbild, das vielen die Müdigkeit aus den Knochen treibt. Die Eisschollen räumt der kräftige Rumpf des KORMORAN genüsslich zur Seite und gegen 16 Uhr machen wir im Osloer Hafen fest, direkt vor der Silhouette des Rathauses. Dann haben wir auf einmal mächtige Konkurrenz, denn querab liegt das Segelschulschiff der norwegischen Handelsmarine, die CHRISTIAN RADICH. Der Reeder Christian Radich spendet 1899 90.000 Kronen für den Bau eines Segelschulschiffes unter der Bedingung, dass es seinen Namen trägt. Aber immer wieder treten Hindernisse auf, und so wird sein Traum erst 1937 Wirklichkeit, 4o Jahre nach seinem Tod. Am nächsten Tag überfällt uns die Presse, aber es macht Spaß, sie mit allen Informationen zu füttern.
Blick auf die CHRISTIAN RADICH vom vereisten KORMORAN aus.
Foto usa
An den darauf folgenden Tagen ist es ruhiger, wir finden Zeit, die herrlichen Wintersportgebiete rund um Oslo unsicher zu machen und fahren die ganzen Tage Ski, eben von Fall zu Fall !! An einem Nachmittag kommen wir zurück und erfahren, dass sich Konteradmiral Ewald Erdmann angesagt hat, der Befehlshaber der Seestreitkräfte Nordsee ist und Abteilungsleiter im Nato Hauptquartier Europa. Der KORMORAN ist ja an hochgestellte Persönlichkeiten gewöhnt, so ist sein Besuch ganz zwanglos, er genießt es sichtlich, auf dem KORMORAN einen Aquavit zu trinken ohne den sonst üblichen und notwendigen Schnick-Schnack. Er vermittelt auch einen offiziellen Besuch auf der CHRISTIAN RADICH. Als wir zusammen mit ihm das Schiff betreten, ist die Bootsmannpfeife unüberhörbar, und fast die ganze Mannschaft der CHRISTIAN RADICH salutiert vor Erdmann und uns neun Mann vom KORMORAN. Der Chief Mate Lorentzen, der erste Offizier der CHRISTIAN RADICH, hat den Empfang vorbereitet. In manchen Gesichtern von uns kann man doch ein leichtes Schmunzeln erkennen. Das ganze Schiff wird uns gezeigt und wir bekommen schon Minderwertigkeitsgefühle mit unserem „ kleinen Pott “. Wir erfahren dann, dass bis zu achtzig Mitsegler, Auszubildende bzw. Gäste in zwei großen Schlafsälen mit entsprechend vielen Hängematten untergebracht sind. Die Säle sind zwar gut belüftet, aber irgendwie denken wir, dass wir mit dem KORMORAN doch das große Los gezogen haben.
Chief Mate Lorentzen von der CHRISTIAN RADICH bereitet unseren Besuch vor
Foto Jürgen Jacobsen
Die Mitglieder der Stamm-Mannschaft haben in ihren Kojen auch nicht mehr Platz wie wir, was uns wieder ungemein tröstet.
Ein paar technische Daten zur CHRISTIAN RADICH : Länge über alles 73 m, Breite 9,70 m, Tiefe 4,70 m, Masthöhe 37,70 m, Segelfläche 1360 m² und 663 BRT , ein Motor mit 900 PS, der das Schiff auf 8 kn beschleunigen kann, unter Segel erreicht es maximal 17 kn. Rigg: als 3 Mast-Vollschiff hat es doppelte Marssegel, einfache Bramsegel und Royals. Die Masten haben Mars- und Bramstengen.
Durch den Film „Windjammer“ ist die CHRISTIAN RADICH weltberühmt geworden, und wir gehen stolz von Bord, einmal auf diesem Schiff gewesen zu sein und kuscheln uns abends ganz gemütlich in unsere eigenen kleinen Kojen ein. Als am nächsten Tag der Kapitän der CHRISTIAN RADICH Kapitän zur See Asbjörn Espenak, der auch schon im Film „Windjammer“ dabei war, uns einen Gegenbesuch auf dem KORMORAN abstattet, sind wir alle wieder oben auf. Im Jahr 2012 feiert die CHRISTIAN RADICH ihr 75 jähriges Jubiläum und ist alle Tage mit 20 Mann Stamm-Besatzung und Gästen unterwegs.
Hochinteressant sind natürlich auch in Oslo die Tage ohne Skilaufen, wo wir uns die Sehenswürdigkeiten der Stadt ansehen und unsere Blessuren etwas pflegen können. Alles in allem eine wunderbare und herrliche Zeit in Oslo.
Als wir am 5. März gegen 12 Uhr wieder auslaufen und die CHRISTIAN RADICH passieren, kommen doch tatsächlich einige Matrosen an Deck gelaufen, salutieren kurz und winken uns zum Abschied zu. Wir haben offenbar ein paar neue Freunde gewonnen. Unser Reiseziel an diesem Tag ist Skagen, aber als Radio Kiel abgehört wird und Windstärken bis 11 angesagt sind, verdrückt sich der halb vereiste Kormoran flugs nach Strömstad und macht hier am Nordpier fest. Am nächsten Morgen bläst es noch gewaltig, aber mit abnehmender Tendenz, und so entschließt sich Helle Christiansen um 7 Uhr 30 abzulegen.
Da jetzt der eisige Wind aus Nordwest kommt, werden Segel gesetzt, und ohne Motor erreicht der KORMORAN kurz vor 17 Uhr Skagen. Hier löst der Skipper ein Versprechen ein und führt uns ins „Foldens Hotel“, wo wir richtig vornehm ein paar Rodspaetter vertilgen. Am nächsten Morgen bläst es immer noch auf unserem Weg nach Süden, und mit allen Segeln schafft der KORMORAN tatsächlich 11 kn, wenn auch unter Mithilfe der Strömung. Inzwischen ist es richtig saukalt geworden, so dass der Rudergänger halbstündlich abgelöst wird. Es ist wirklich Winter. Im Eifer des Gefechtes entschließt sich die Mannschaft mal wieder über Nacht durchzulaufen, wird aber von einer Sturmwarnung ausgebremst und wir laufen den Hafen von Ebeltoft an.
Hier liegt die dänische Fregatte JYLLAND, oder besser gesagt deren Reste. Sie wurde 1960 nach Ebeltoft verholt. Man hat sie mehrmals vor dem Abwracken gerettet. Die JYLLAND nahm 1864 an der Schlacht bei Helgoland teil und gehört zu den größten jemals aus Holz gefertigten Segelschiffen. Da wir uns nicht angemeldet hatten, fällt eine Besichtigung leider aus.
Die JYLLAND 1968 in Ebeltoft Die Jylland 2005
Foto Ulrich Osberghaus Foto unbekannt
Am Morgen danach bläst es immer noch auf dem Weg nach Svendborg und im Svendborg-Sund müssen letztlich die Segel eingeholt werden, denn es ist ja Winter, und die See macht uns klar, wer hier letztlich der stärkere ist. Mehr als 20 m/sec wären wohl auch dem Kormoran nicht gut bekommen.
In Svendborg verbringen wir eine sichere, aber irgendwie bewegte Nacht. Tags darauf auf dem Weg nach Sonderburg ist der KORMORAN kaum unterwegs, als ein heftiger Schneesturm eintritt. Sekundenschnell ist die Sicht gleich null. An Bord hört man nur noch den Wind, sonst ist es ganz still. Als die Sicht weiterhin null bleibt, tritt letztlich auch die Takelure in Aktion. Das Ganze ist schon etwas gespenstig.
So schnell wie der Schneesturm gekommen ist, so schnell verschwindet er auch wieder. Unser Skipper ist aber sichtlich erleichtert, als er wieder sehen kann wo er hinsteuert. Die Kohlenschaufel wird zweckentfremdet und mit ihr der Schnee hinter
dem ganzen Luvschanzkleid außenbords befördert. Die Nacht über liegt der KORMORAN in Sonderburg. Am nächsten Vormittag wird das ganze Schiff aufgeklart, denn wir wollen ja mit einem tipp topp sauberen Kutter in Glücksburg einlaufen. Nachmittags erreichen wir nach einem Segeltörn von 759 Seemeilen wieder die Ostpier des Glücksburger Yachthafens.
Was dann noch passiert, hat keiner von uns bisher erlebt, geschweige denn erwartet. Am Pier steht die ganze Schulleitung wieder mit Rudolf Koppenhagen und bereitet uns einen großartigen Empfang. Nach dreiwöchiger Reise gibt es einen ordentlichen Teepunsch, wobei die Betonung auf ordentlich steht, und für jeden Teilnehmer einen Miniaturseemann auf Skiern aus eigener Fertigung der Schule, und Kapitän Helle Christiansen hat sogar seine Kolbenringe am Ärmel und eine Kapitänsmütze. Eine Kleinigkeit zum Essen und eine kleine Ansprache von Schulleiter Koppenhagen runden den Empfang ab, der sichtlich emotional ist.
Der erste Wintertörn der HYS geht zu Ende, aber niemand hat bis heute die gemeinsamen Erlebnisse vergessen. Es soll ein Treffen der damaligen Crew vorbereitet werden, aber manche Teilnehmer sind noch nicht auffindbar, zum Teil auch aus Datenschutzgründen innerhalb der Verbände.
Der dritte größere Törn des KORMORAN wird vom 19.10.1969 bis zum 01.11.1969
nach Anholt DK und Marstrand S ausgeschrieben und noch einmal ein Sommertörn
nach Oslo und Lyngby DK vom 09.05.1971 bis 21.05.1971. Im gleichen Jahr verchartert man den KORMORAN an den Yacht Club Rursee, der mit dem KORMORAN vom 09.07.1971 bis zum 20.07.1971 nach Göteborg S und Slupen S fährt. Es ist auch die Zeit wo von 1968 bis 1972 Wolfgang Helms als Skipper tätig ist. Danach bleibt der KORMORAN überwiegend in den Gewässern der Flensburger Innen- und Außenförde und den angrenzenden dänischen Küsten und Inseln. Einmal muss er noch hinaus, als zwei Boote der HYS im Götakanal fest hängen, weil dort die Böschung abgerutscht war und die Teilnehmer nicht bis zur erneuten Freigabe des Götakanals warten können. Kurz entschlossen fährt der KORMORAN zum Götakanal hoch und holt aus Zeitnot die beiden Schiffe im Schlepp wieder nach Glücksburg zurück.1983 bekommt der KORMORAN eine Motorüberholung, bei der auch neue Kolben eingesetzt und alle Zylinderlaufbuchsen entsprechend gehont werden. Jetzt stehen wieder die kompletten 150 PS zur Verfügung. 1983 ist auch das Jahr des Abschieds vom DHH. Atze Lehmann, inzwischen Schulleiter in Glücksburg, übernimmt den Verkauf des KORMORAN. Ganz wohl ist ihm nicht dabei. Hohe Unterhaltungskosten machen aber bestimmte Entscheidungen zwingend notwendig. Der nächste Eigentümer ist Alois Vogelsang aus Düsseldorf ab November 1983. Da der Name „KORMORAN“ nicht vom DHH mit verkauft wird, nennt Alois Vogelsang in einer Sekundenentscheidung das Schiff nun „FLAMINGO V “.
Abdruck genehmigt durch BSH D und KMS DK 2012 Übergabeposition 1983
Die Übergabe erfolgt durch den Bevollmächtigten des DHH Herrn Udo Arndt, nicht mit dem Autor verwandt, außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer am 20. September 1983 in Position 54°53’ N und 9°36’ E. Alois Vogelsang ist der sechste Eigentümer der ehemaligen NORDLICHT. Er nimmt sich sofort eine komplette Crew, da er selbst keinerlei Führerscheine besitzt, segelt nach Gran Canaria und macht in Puerto Rico fest. Er trifft sich dort mit einem Hotelier, um von Puerto Rico aus Segeltörns für dessen Tages- und Feriengäste zu organisieren. Der Hotelier wird innerhalb einer Gesellschaft beteiligt, hegt aber betrügerische Absichten und wird vertragsbrüchig. Mit Hilfe von Anwälten und Dolmetschern befreit sich Vogelsang von dieser Angelegenheit und segelt kurz entschlossen Anfang 1984 ins Mittelmeer nach Lavagna, Region Genua. Die Liegegebühren sind aber derartig hoch, dass die Mannschaft es vorzieht, nach Viareggio zu segeln. Hier erleidet die FLAMINGO V im Frühjahr 1984 einen größeren Brandschaden und wird in eine Werft verholt. Friedhelm Meyer zur Heyde fährt mit drei Bekannten nach Viareggio, sie bringen das Schiff nach und nach wieder auf Vordermann. Um es aber seeklar zu machen, müssen die Bordwände von der Wasserlinie bis zur Scheuerleiste neu kalfatert werden. Nach vier Wochen Arbeit bei großer Hitze beschließen alle, wegen hoher Werftgebühren einen Teil der Restarbeiten auf einer anderen Werft vorzunehmen, sie fahren unter Motor nach Algeciras in Südspanien. Hier bleiben sie bis März 1984, wobei ein großer Teil der Räume im Unterdeck erneuert wird und auch ein Teil des Oberdecks ersetzt wird. Nach diesen Arbeiten geht es schnurstracks in Richtung Ostsee. Hier entschließt sich Alois Vogelsang nach vielen Enttäuschungen, die FLAMINGO V zu verkaufen. Mit Kaufvertrag vom 16.08.1984 heißt der neue Eigner Yachtcharter Laboe GmbH mit den Herren Friedhelm Meyer zur Heyde, Gerhard Schütt und Max Schläfer. Einem Antrag auf Namensänderung in „KORMORAN I“ wird am 05.09.1984 stattgegeben. Ab November 1984 ist der neue Heimathafen Laboe. Die Eigner-Gruppe ist nun der siebte Eigentümer. Nach einer abschließenden Überholung auf der Werft von Heinrich Eberhardt in Arnis ist der KORMORAN I wieder richtig fit, und ab Februar 1985 wird er regelmäßig für Segeltörns eingesetzt. Außerdem hat der KORMORAN I aufgrund des neuen Heimathafens Laboe beim Amtsgericht Kiel jetzt die neue SSR Nr. 2425. In den nächsten Jahren werden jeweils von April bis Oktober viele Törns in der Ostsee gesegelt, im Bereich der süddänischen Inseln und um Bornholm. Meistens werden die Törns für Jugendgruppen oder Firmenangehörige oder als Ausbildungstörns angeboten.
Am 15.02.1988 verkaufen die Miteigentümer am Kormoran I Schütt und Schläfer ihre Anteile, der Kormoran I wird alleiniges Eigentum von Meyer zur Heyde und
dieser verchartert nun das Schiff auf eigene Rechnung.
Am 27. August 1989 zieht plötzlich nachts ein schwerer Nordost-Sturm über Laboe und ganz Norddeutschland, in dessen Verlauf sich der KORMORAN I von der Pier los reißt und nahe der Schiffswerft Laboe strandet. Das Schiff hat überall kleinere und mittlere Schäden und muss tatsächlich von einem dänischen Bagger durch eine ausgebaggerte Rinne befreit werden. Ein starker Schlepper zieht ihn wieder ins tiefe Wasser. Am nächsten Tag verholt man ihn zur Werft Heinrich Eberhardt in Arnis, wo man nur sagt, der KORMORAN I ist auch wirklich nicht klein zu kriegen, erst vernichtet ihn fast ein Feuer, dann strandet er noch, und jetzt ist er immer noch da. Der KORMORAN I wird wieder vollkommen hergerichtet und in Fahrt gesetzt.
Am 24. Februar 1990 verkauft Friedhelm Meyer zur Heyde wieder den Kormoran I an Frau Helga Fehn verh. Schink, die die achte Eignerin des KORMORAN I wird. Die nächsten acht Jahre verbleibt der KORMORAN I im Eigentum der Familie Peter und Helga Schink. Der KORMORAN I hat jetzt den Heimathafen Kappeln. Im Winter 1990 überführt man den KORMORAN I nach Algeciras in Südspanien, um auch fällige restliche Anstricharbeiten durchzuführen. Die Marina von Algeciras ist dem KORMORAN I ja nicht ganz unbekannt. Unterwegs wird ein Zwischenstopp eingelegt bei den Scilly- Inseln, die zum britischen Königreich gehören. Von Algeciras geht es hinauf nach Roquetas de Mar. Der KORMORAN I ist jetzt dauernd unterwegs mit Chartertörns und Verlegungen in diverse Häfen, um die Auslastung des Schiffes zu verbessern. Kaum heimisch geworden in Roquetas de Mar geht es mit Zwischenstopps in Cagliari auf Sardinien und Palermo auf Sizilien nach Split im heutigen Kroatien. Dort sollen schon gebuchte Törns durchgeführt werden, doch der Jugoslawien-Krieg macht allem ein Ende. Damit die ganze Fahrt nach Split nicht umsonst ist, organisiert Schink kurzfristig Törns nach und in Tunesien. Hier ist 1991 trotz der politischen Lage der KORMORAN I das einzige ausländische Schiff, das eine offizielle staatliche Chartergenehmigung besitzt. Eine Fahrt geht dabei nach Monastir am Golf von Hammamet und über Valetta, der Hauptstadt von Malta.
Der KORMORAN I 1992 in Arnis Foto Atze Lehmann
Aber insgesamt ist das Charteraufkommen nicht so prickelnd, deshalb entschließt sich Peter Schink 1992 nach über 15000 gefahrenen Seemeilen nach Deutschland zurück zu segeln und macht in der Marina von Laboe fest. 1992 bekommt der KORMORAN I auch ein neues Großsegel, 1993 einen Flieger und 1994 ein neues Besan-Segel und neue Fock. Von hier aus organisiert man bis 1997 viele kleinere und größere Animations-, Incentive- und Jugendgruppen-Reisen.
Der KORMORAN I auf der Kieler Woche vor der TOVARISCHTSCH ex Gorch Fock
Foto Peter Schink
Auf der Kieler Woche begegnet der KORMORAN I der ТОВАРИЩ ,
ausgesprochen Tovarischtsch, auf deutsch KAMERAD, der ersten GORCH FOCK, die 1932 bei Blohm & Voss gebaut wurde. Als Reparationsleistung ging das Schiff 1945 nach Russland und bei Zerfall der Sowjet-Union an die Ukraine. 1995 ist es in New-Castle registriert und 1999 in Wilhelmshaven. 2003 wurde die GORCH FOCK für 400 000 Euro an die Tall Ship Friends verkauft und liegt seitdem in Stralsund unter dem Namen GORCH FOCK I.
Am 04.03.1997 verkauft die Familie Schink den KORMORAN I in gutem Zustand an Wolf Günther Jochen Krämer aus Ruppichteroth, der damit der neunte Eigner des KORMORAN I wird.
Eine Umbenennung in „Freedom Adventure“ durch den neuen Eigner wird fallen gelassen. Im Jahr 1998 wird der KORMORAN I auf die Ewer- Werft in Wischhafen verholt mit dem Auftrag, das Schiff innerhalb von zwei Jahren komplett zu überholen. Im Jahr 2000 stellt sich heraus, dass die Überholung weitere zwei bis drei Jahre dauert. Im Jahr 2002 wird die Ewer - Werft neu gegründet mit Bootsbauer Karl Heinz Söhl und der Eigentümerin Inge Heisinger- Usta, die ihre ganze Pferdezucht verkauft, um das Geld in die neue Firma zu stecken. Die Ewer- Werft will sich aber nicht so richtig entwickeln, und es entstehen riesige Außenstände durch säumige Auftraggeber und dadurch viele eigene nicht eingelöste Zahlungsverpflichtungen. Da Herr Krämer wohl auch nicht so zahlungskräftig ist und für den KORMORAN I zum Teil auch nur einen Liegeplatz sucht, wird der Wert des Schiffes gegen die jahrelangen Liegegebühren aufgerechnet. An eine Überholung des KORMORAN I ist überhaupt nicht zu denken. Söhl wollte eigentlich den KORMORAN I von Grund auf neu aufbauen und zu einem kleinen eleganten Luxusschiff umbauen, woran er als Bootsbauer Freude gehabt hätte, aber dazu kommt es nicht mehr. Am 10.06.2002 geht der KORMORAN I für buchmäßig einen Euro in das Eigentum der Ewer- Werft über, die damit der zehnte Eigner des Schiffes wird. Als Heimathafen trägt man jetzt Wischhafen ein. Letztlich holt man das Schiff von der Slip-Anlage herunter und wassert es.
Die vorletzte Aufnahme des KORMORAN I auf der Ewer- Werft
am 12.01.2005. Foto bis- auktion Hamburg
Es wird nichts mehr unternommen, um den Wert des Schiffes zu erhalten, und es verkommt immer mehr. 2004 meldet die Ewer-Werft Insolvenz an. Deck und Rumpf werden undicht, und so versinkt der KORMORAN I im Schlamm. Vor der Versteigerung der Ewer- Werft am 30.08.2005 wird der KORMORAN I abgewrackt und die Reste werden nach der Versteigerung von Kuddel Söhl ausgebaggert und entfernt.
Die letzte Aufnahme des KORMORAN I auf der Ewer- Werft am 28.08.2005.
Foto www.oste.de
Das ist das traurige Ende eines fürstlichen Schiffes. Aber nach dem Motto „ niemals geht man so ganz “ lebt der KORMORAN I trotzdem noch, und zwar wie in alter grauer Vorzeit als Geisterschiff. Denn der KORMORAN I ist 2013 immer noch im SSR Stade eingetragen, da bis heute niemand einen Antrag auf Löschung eingereicht hat.
Udo Schmidt-Arndt